Montag, Dezember 18

Nirwana

Was soll man machen, wenn man zuviel Geld hat? Genau! Man bringt es unter die Leute. Solche Aktionen werden vom Volksmund im Allgemeinen als Wirtschaftsförderung bezeichnet. In meinem Falle handelt es sich aber vielmehr um eine Transaktion von Privatmann zu Privatmann (Vater Staat geht also "fast" gänzlich leer aus), denn ich sitze wie so oft vor meinem PC und besuche die Internetseiten des weltweit größten Auktionshauses, der Müllhalde für jedermann. Wer hier nicht fündig wird, hat selber Schuld. Ich suche nach Krimskram, den kein Mensch wirklich und wahrhaftig benötigt. Kurz nach erfolgreichem Login finde ich das Gesuchte: Pokerchips.

/Exkurs

Ja, ich finde es interessant, begeistere mich regelrecht und stehe vollends dazu, einer dieser Freaks zu sein, die sich im TV sämtliche Pokersendungen anschauen. Besonders faszinierend sind aber nicht die Stars der Karten, sondern die der Chips. Fünf der runden bunten Plastikteilchen rollen nacheinander eine nicht unerhebliche Distanz von der rechten in die linke Hand (Chip-Roll). Toll! Ich bin eben leicht zu begeistern. Oder aber der Zocker nimmt nur einen Chip und läst ihn in Wahsinnsgeschwindigkeit durch die Finger gleiten, so dass man selbst beim Zuschauen denkt, man sei in einem Entsafter auf der Kirmes.

/Exkurs Ende

Das will ich auch können! Folglich lautet der Suchbegriff auf der Startseite der Mülldeponie für alle nicht mehr verwertbare Sachen logischerweise Pokerchips. Kurz nachdem die Returntaste betätigt wurde, poppen alle laufenden Auktionen chronologisch sortiert, die baldigst endende zuerst. Es sind nicht wenige. Ich verschaffe mir einen Überblick - man will trotz Wirtschaftsankurbelung das Geld nicht zum Fenster rausschmeißen - und "gewinne" bereits nach einer Stunde einen Alukoffer inklusive aller Spielutensilien, die einen perfekten Pokerabend ausmachen, ausgenommen der Zigarren und des Whiskeys. O-Banking sei dank wird kurzerhand das Portal meines Geldinstituts geöffnet und flucks eine Überweisung in Höhe des Gebotenen (zuzüglich Porto - versteht sich von selbst) getätigt. Perfekt! Einen (1) Tag später, man glaubt es kaum, berichtet mir mein Posteingang, dass die geleistete Zahlung bereits dem Konto des Luxusalukoffer-mit-lasergravierten-Pokerchips-Anbieter gutgeschrieben sei und der Versand vorbereitet wird. Sehr schön! "Neeein!", Entspringt es meinem Munde. Verdammt! Die Lieferadresse ist falsch, obwohl ich mir sicher bin, die korrekte übermittelt zu haben. Jetzt bloß nicht hektisch werden, denke ich mir, eine eMail an Mister Luxuspokerchipsalukoffer und der Schaden ist sicherlich behoben, zumal allein der Lieferort geändert werden muss. Falsch gedacht!
Zwei weitere Tage später erneut ein freudiges Piepsen meines elektronischen Postclients mit dem Hinweis, dass meinem Gesuch mangels Zeit nicht mehr nachgekommen werden konnte. Sicherlich sind zwei Tage Bearbeitungszeit um eine Adresse zu ändern zu wenig. Ich hätte es wissen müssen! Pieppiep! Eine weitere postmoderne Nachricht ereilt mich und berichtet, ich solle das beauftragte Paketzustellunternehmen telefonisch kontaktieren, damit meine Adresse angeglichen werden kann. Oh, das wird nicht günstig! Im Anhang der Massage werde ich jedoch eines Besseren belehrt, denn es handelt sich um eine kostenlose Rufnummer (so was gibt es noch), die jedoch nicht vor Montag gewählt werden soll, was mich natürlich nicht davon abhält, sie direkt anzubimmeln. Es ist Samstag (für Unwissende sei hier erwähnt, dass es sich dabei um einen Wochenendtag handelt) und eine freundliche Stimme, ganz offensichtlich weiblicher Natur, heißt mich aufs herzlichste Willkommen. Sie fragt, was sie für mich tun könne. Schluck!
Ein gewisses Maß an überschwänglicher Freundlichkeit habe ich ja erwartet, aber das, was mir die Stimme entgegenbringt, schlägt dem Fass den Boden aus. Damit habe ich nicht gerechnet. Ihrer Meldeformel nach zu urteilen, scheint sie gefallen an dem zu haben, was sie macht. Schnell komme ich wieder zu mir und nenne ihr die 18-stellige Paketnummer, eine Kombination aus Buchstaben und Zahlen. Sie tippt diese in ihren Computer und berichtet mir, es gäbe zu genannter Nummer keinen Auftrag. Also vergleichen wir die beiden Nummern noch einmal und stellen fest, dass sich ein Zahlendreher eingeschlichen hat, den wir sofort und ohne Umstände ausmerzen. Und siehe da, sie findet mein Paket! Ich berichte nun von meinem Problem, dass das Paket nur dann zugestellt werden könne, wenn man den richtigen Lieferort angäbe und übermittelte ihr selbigen, damit sie es prompt in ihrem System abspeichern konnte. Doch die gute Dame entgegnete mir, dass sie das nicht könne. Drei Fragezeichen ploppen über meinem Kopf auf. Ich versicherte ihr, dass es die Lieferadresse in Deutschland nicht gibt, was sie mir auch glaubte. Sie hingegen teilte mir mit, dass das Paket, mein Paket, momentan nicht auffindbar sei. Es befindet sich derzeit in Bearbeitung und man wisse nicht, bei welchem Mitarbeiter es gerade endgefertigt wird. Erst wenn es einmal falsch ausgeliefert wurde, kann man den Zustellort korrigieren. Wie Bitte!!! Ich glaube, mein Hirn schaltet gerade ab!!! Die drei Fragezeichen über meinem Kopf sind nicht mehr zu erkennen; es bilden sich Rauchschwaden!!! Um auch alles sicher verstanden zu haben, frage ich wiederholt ungläubig nach. Sie bestätigt ihre Geschichte und fügte hinzu, dass ich mich Montag gegen Abend melden kann, da sich meine Sendung wie bereits erwähnt im Nirwana befindet. Verwirrt bedanke ich mich für die Auskunft, lege auf und denke mir: Logistik ist doch was Tolles. Mein Paket ist im Nirwana. Und ich???

Sonntag, Dezember 17

Muttersprache

O Tannenbaum, O Tannenbaum, wie treu sind deine Blätter??? Jaja, es weihnachtet sehr. Natürlich auch bei mir und so heißt es dann: Einkaufen mit Mama. Jedes Jahr aufs Neue, stellt meine biologische Erzeugerin die Frage, was ich mir denn zu Weihnachten wünsche und alljährlich erfolgt die gleiche Antwort: Klamotten!! Ich stelle mir gerade vor, meine Mutter fragt mich eines Tages mal nicht, sondern stellt knallhart fest und fragt mich direkt, wann wir denn Anziehsachen (toller Begriff!) kaufen werden. Um nicht berechenbar zu sein, lasse ich mir dann mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit etwas anderes einfallen. Nichtsdestotrotz war heute der Tag, an dem Freundin, Mutter und meine Wenigkeit die Grenzen des Heimatlandes überschritten und stoppten frisch, fromm, fröhlich, frei durch die Einkaufspassagen der niederländischen Metropole Enschede. Das Wetter war hervorragend, die Sonne schien, es war endlich etwas kälter und eine leichte Brise lies uns alle ein bisschen erzittern. Gefolgt von dem schönen, schon fast winterlichen Wetter die grausame Wärme der Geschäfte. Gerade von einem grippalen Infekt dem Bette entsprungen, belasteten mich diese derben Temperaturwechsel erneut. Doch ich will und wollte nicht klagen... Während ich mit meiner Mutter nach Weihnachtsgeschenken Ausschau hielt, kümmerte sich meine Freundin natürlich (wie könnte es auch anders sein!) allein um die Erweiterung ihrer Garderobe. So sind unsere Frauen! /Exkurs Der Begriff "Shoppen" erhält hier eine neue Definition. Vielmehr sollte es heißen: "Wie viele Kleidungsstücke kann ich in einer bestimmten Zeit in unterschiedlichen Läden anziehen?". Nun denn, wenn sie Spaß dran haben, sollte man sie auch nicht dran hindern. Warum aber muss ich dann bei jeder "normalen" Shoppingtour anwesend sein? Meine bessere Hälfte meint dazu, sie benötige jemanden an ihrer Seite, der offen und ehrlich seine Meinung kundgibt. Das mache ich ja, aber wenn ich dann tatsächlich ein Oberteil, eine Hose oder ein Schuhpaar chic finde, warum kauft sie das Teil nicht und wir können ruhigen Gewissen wieder nach Hause fahren und chillen? Richtig, alle Geschäfte in der Fußgängerzone müssen abgeklappert werden, da die Chance, eine wesentlich passendere, schönere, stylischere Tracht zu finden bei etwa 0,1% liegt. Die außerordentlich gut sitzende Gewandung wird jedoch nicht wie man denken könne, zurück auf den Ständer gelegt, sondern zur Kasse transportiert und "zürück-legen-lassen". Auf die Frage, was dieser Unfug denn solle, erwidert meine Liebste: "Wenn ich in 3 Stunden nichts chiceres gefunden habe, kaufe ich das!". Männer wissen zu exakt diesem Zeitpunkt zweierlei - Die Shoppingtortur wird noch lange anhalten und gekauft wird heute nichts mehr! Um das männliche Pendant, also mich, ebenso zu analysieren, sei gesagt, dass ich zwecks Oberbekleidungsbestückung drei Geschäfte besucht habe. In zweien wurde ich fündig (in dem anderen gab es leider nicht mehr meine Größe) und schlug ohne zu zögern zu. Für Schuhe habe ich einen Laden benötigt und für den guten Duft war ebenfalls nur eine Filiale notwendig. Das nenne ich mal effektiv. /Exkurs Ende Während eines solchen Marathons muss der Körper gestärkt werden. Wir befanden uns in den Niederlanden, so lag es Nahe, dass örtliche Spezialitäten gekostet werden. Mutter und meine bessere Hälfte entschieden sich für den Wok-Mann; Ich meinerseits verfiel dem Fastfood. Ich betrat den kleinen, gemütlichen Laden, schaute mir die Theke mit den frisch ausgelegten Waren an und wurde daraufhin freundlichst nach meiner Bestellung gefragt. Einheimische freuen sich immerzu, wenn man in der Landessprache spricht, also gebe ich mein optimales Niederländisch zum Besten. Grammatikalisch vollkommen korrekt, Syntax ebenfalls perfekt orderte ich mit leicht deutschem Akzent die von mir gewünschten Köstlichkeiten. Doch was erblickte ich hinter dem Schanktisch? Ein kleiner verwirrter Mann mit starren Augen, gerichtet in die meinen. "Du kannst ruhig deutschen sprechen mit mir", entgegnet der vorwitzige Wicht in gebrochenem Deutsch. Leicht verwirrt, doch spontan wie immer konterte ich mit der Frage, ob er denn kein niederländisch spreche? Sekunden der Spannung vergehen und der Mann brach in herzliches Gelächter aus. Offensichtlich fand der Knirps meine Gegenfrage überraschend und amüsant zugleich, denn das Essen ging auf seine Kosten. Einfach toll diese Holländer!

Dienstag, Dezember 5

Ultimate Weapon

Ich sitze im Zug, unterwegs in die geliebte Heimat, um mich ein wenig von den Strapazen der vergangenen Tage zu erholen. Zu Hause ist es halt am Besten. Dort befinden sich Hotel Mama und Finanzspritze Papa. Einfach wunderbar wie man dort verwöhnt wird und sich um nichts kümmern muss.Vor dem Schlaraffenland Exorbitante muss allerdings eine unbequeme Überfahrt erfolgen, denn nicht nur die "neuen" Sitze der Bahn sind hart, steinhart, sondern auch die Gäste.Mein Platz befindet sich am Ende des Zuges. Ich sitze allein, wohl wissend, dass es nicht so bleiben wird, denn die Abfahrt verzögert sich. Wer hätte das bei einem ehemals staatlichen Unternehmen gedacht, das erst nach Jahren der Sanierung wieder schwarze Zahlen schreibt?!?!Schon kommen sie, eine kleine Gruppe pubertierender Jünglinge, allesamt bewaffnet mit modernen Kommunikationsmitteln namens Handy. Mittlerweile können die kleinen, ja fast winzigen Apparate alles, was das Herz begehrt. Nicht nur telefonieren mit der Liebsten, nein, auch die schriftliche Übermittlung durch SMS ist eine Funktion des kleinen Wunderteilchens. Außerdem kann man Bilder verschicken, im Internet surfen, seine Termine planen, sich wecken lassen und sogar Musik abspielen.Die kleine Gang lässt mich nicht lang ungestört, sondern fängt direkt an, mich mit Rap und HipHop zu quälen. Nicht, dass ich nicht auf diese Art musischer Berieselung stünde, ich bin sogar ein großer Anhänger. Rhythmische Klänge vereint mit tiefen Stimmen und untermalt von einer sanften weiblichen Chorussängerin. Ich liebe Rap, ich liebe HipHop.
Die kleinen Möchte-gern-Gangster in übergroßen Hosen, die in den Kniekehlen hängen, starten mit ihren Wunderwaffen einen Song. Als man selbst das Lied erkannt hat und den Fuß im Takt auf und ab wippen lassen möchte, wird umgehend der nächste Track angespielt, weil der ja "viel geiler" ist als der vorige. Stress bin ich wahrlich gewohnt, doch man kann es auch übertreiben. Ein zweiter Handy-DJ holt sein MP3-Player, das nebenbei als mobile Telefoneinheit missbraucht werden kann, hervor und von nun an werde ich doppelt drangsaliert. Dies geht so weiter bis vier der Ghettoboys unterschiedliche Songs abspielen, so dass kein einziger mehr erkannt werden kann. Man könnte meinen, ein Techno-DJ legt gerade in der Bahn auf (eigentlich keine schlechte Idee für die DB. Musik während der Fahrt!).Ich versuche vollends abzuschalten. Es gelingt mir nicht. Folglich mache ich mir Gedanken, wie ich dem ganzen Einhalt gebieten kann. Ich spreche die Jungs kumpelhaft an und bitte sie um ein wenig Ruhe. Wütende Blicke und entsprechend vulgäre und anmachende Antworten schlagen mir entgegen. Ich setze mich also wieder auf meinen Platz, denn das Feld kampflos zu überlassen ist absolut nicht meine Art.Wie nur, ja wie nur, kann ich diese Rasselbande zum Schweigen bringen?? Gähnende Leere in meinem Hirn. Erst nach einer Stunde als sich die Türen des Zuges öffnen und ich in meiner Heimat angekommen bin, blitzt es vor meinen Augen. Ich habe den erleuchtenden Einfall.Am darauffolgenden fahre ich zu meinem Handy-Shop und organisiere mir kleine Lautsprecher für mein mobiles Telefon, fahre nach Hause und schließe MEIN kleines Wunderteil am PC an. Schnell wurde es erkannt und umgehend synchronisiert. Ich bespicke es mit der ultimativen Waffe gegen nervende Kids: Volksmusik, Klassik und Marschmusik. Jawohl! Ich freue mich schon auf den nächsten Zusammentreffen. Mal sehen, wer nun die Macht hat?!