Montag, Februar 12

Muckibude

Willi Landgraf, Kultfigur des Fußballclubs Alemania Aachen, antwortete einmal auf die Frage, ob er vorher schon mal beim Training Step-Aerobic gemacht habe mit Jung, ich komm aus Bottrop da wirsse getötet, wenne datt inne Muckibude machs!

Endlich habe ich mich durchgerungen und stähle wieder meinen alternden Körper. Ich bin zwar nicht dick und auch nicht unsportlich, doch die Spuren des trägen Rumsitzens gehen auch an mir nicht vorüber. Schade eigentlich, denn immer war ich der Ansicht, ich bleibe so fit wie in jugendlichen Jahren. 18 war mitunter eine schwierige Epoche des Lebens; die vitale Fitness hingegen ein Traum. 4-5mal wöchentlich Training zeigten ihre Wirkung - fit, agil, ausdauernd, muskulös und sehnig auf eine Körperlänger von 184cm bei einem Gewicht von 68kg. Ich fühlte mich wohl.
Vergessen und vorbei. Nun heißt es die Pfunde purzeln lassen und voller Elan ans Werk zu gehen. Mal sehen, wie lange ich die Motivation aufrechterhalten kann.
Guten Mutes gepaart mit eisernen Willen folgt die erste Übungseinheit. Locker und nicht übertreibend wärme ich mich mittels rollenden Bands auf. Erste Zweifel machen sich breit als mir nach einer Viertelstunde die Puste ausbleibt, doch die Aufwärmphase und somit der erste Teil des Trainings ist beendet. Weiter geht es, die schlaffen Muskeln in Wallung zu bringen.
In einem abseits gelegenen Raum, der alle Geräte beinhaltet, um ein Ganzkörpertraining zu vollziehen, werde ich erstmals auf einen Herren mittleren Alters aufmerksam, der wie von einer Tarantel gestochen "meinen" Arbeitsbereich für die kommenden eineinhalb Stunden betritt. Kurz das Gewicht passend eingestellt, setzt er sich auf die Maschine, pumpt fünf Mal und verlässt ebenso schnell wie er erschienen ist wieder das Plateau.
Ich schaue verwirrt drein, schüttele kurz mit dem Kopf und widme mich dann wieder dem Quälomaten. Nicht einmal einen Satz (12-15 Wiederholungen der Übung) konnte ich tätigen, als der alte Mann erneut meine heiligen vier Wände der nächsten Wochen betritt. Er lässt die eben absolvierte Übung außen vor und widmet sich der nächsten, pumpt wiederum fünf Mal und lässt mich abermals links liegen. Hoffentlich habe ich nun meine Ruhe, doch Fehlanzeige. Der Herr, der offensichtlich nicht nur von einer Tarantel gestochen, sondern auch noch Hummel im Allerwertesten hat, kommt wieder. Bevor er sich jedoch einer weiteren Pumpstation hingebungsvoll ergeben kann, spreche ich ihn freundlich an "Hallo, sagen sie mal, warum nutzen sie bei ihrem Tatendrang nicht das Laufband". Ich stoße auf Verwirrung und Verwunderung. Bis zu meiner abschließenden Ausdauereinheit ward der Alte nicht mehr gesehen.
Als hätte ich es nicht besser wissen müssen, betritt ein junger Mann den Raum. Er ist genauso breit wie lang und trägt eines dieser übergroßen Muskle-Shirts, bei dem locker noch ein weiterer seines Kalibers hineinpasst. Allen ernstes hinterfrage ich den Sinn einer solchen Bekleidung, eine Antwort bleibt allerdings aus. Wie viele Stunden verbringt dieses Kraftpaket täglich im Studio? Und vor allem: Wie viele Stunden am Tage verbringt er vor dem Spiegel und bewundert sich selbst? Schön finde ich das nicht. Ich will nur fit werden.
Das Muskelaufbautraining ist beendet, es folgt das finale Jogging. Stöpsel in die Ohren und schon kann das Laufband gestartet werden. Kurz noch eine adäquate (langsame) Geschwindigkeit eingestellt, als Herr Tarantel-mit-den-Hummel-im-Hintern auftaucht und direkt wieder weg ist. Da ich nicht mehr da bin, hat er den kleinen Raum vollends für sich allein, also warum nicht nutzen?! Während meiner halbstündigen Laufsession durchschreitet er mein Blickfeld sage und schreibe sechzehn (16) Mal. Unglaublich!
Ich freue mich auf die wohlverdiente Dusche und begebe mich eine Etage tiefer. Die Freude ist sogleich vertrübt als ich die Türklinke zur Herrenumkleide sänke. Das, was meinen Augen nun zu Gesicht bekommen, wollte ich niemals sehen - Slips in allen erdenklichen Formen und Varianten. Ich traue mich gar nicht hinzuschauen, muss es dann aber doch über mich ergehen lassen. Unifarbene, gerippte, gestreifte. Besonders unansehnliche Unterbekleidungen werden von noch unansehnlicheren Männern getragen. Das konnte ich feststellen. Jeder untrainierter und dicker die Person ist, desto auffälliger der Slip. Zum Vorschein kamen meist dunkle, aber auch die feine weiße erlebt eine Renaissance. Die dunklen Slips sind - so durfte ich mit Bedauern feststellen - mit Drachen auf dem Gesäß oder auch einer Feuersbrunst verziert, die sicherlich der Damenwelt die sexuelle Aktivität des Trägers vermitteln soll. Gibt es tatsächlich Frauen, die auf so was stehen???
Ich verlasse schlussendlich das Fitnessstudio und bin stolz auf die absolvierte Trainingseinheit. Tagsdrauf verspüre ich keinen Muskelkater, denn ich habe ja vorsichtig angefangen. Das einzige, was schmerzt, ist mein Nacken. Aber was will man machen, wenn man eineinhalb Stunden fortwährend mit dem Kopf schüttelt?!